Tornados

1. Definition

Wind- und Wasserhosen sind große Luftwirbel mit vertikaler Achse, die vom Rande einer Cumulo-Nimbus-Wolke meist bis zum Erdboden herabreichen, in ihrem Inneren durch Kondensation in Form eines herabhängenden Zapfens, Trichters, Schlauches oder Säule, im unteren Teil auch durch Staub, ganz oder teilweise sichtbar sind und in einer meist nach Hektometern zählenden Spurbreite durch stürmisches Hinzuströmen der Luft zu dem stark luftverdünnten Raum um die Wirbelachse gewöhnlich derartige Verwüstungen verursachen, wie sie auch bei den schwersten Stürmen größerer Ausdehnung nicht beobachtet werden.

Diese Definition stammt aus dem Jahre 1917 von Alfred Wegener in seiner bedeutenden Monographie „Wind- und Wasserhosen in Europa“ (Vieweg, Braunschweig) und ist heute noch gültig.

2. Voraussetzungen

  • Hochreichende Feuchtkonvektion (Schauer, Gewitter) ist notwendig – andernfalls handelt es sich um Kleintromben (Staubteufel, Sandteufel, etc. ).
  • Viel Auftrieb in den bodennahen Schichten sorgen für vertikale Wirbelstreckung durch kräftige Aufwinde, d.h. viel latente Wärme (CAPE).
  • Niedrige Wolkenuntergrenzen (< 2 km) verringern die Distanz zwischen Wirbelbildung und Boden.

3. Typen

Die Oberkategorie ist Trombe, darin fallen Kleintromben (nicht mit Feuchtkonvektion verbunden), Großtromben (mit Feuchtkonvektion verbunden) und Blindtromben (tornadische Wirbel, die seitlich abknicken und nicht den Boden erreichen).

Großtromben (Tornados) wiederum existieren sowohl über Land (Tornados) als auch über Wasser (Wasserhosen), veraltet spricht man auch von Windhosen und Wasserhosen.

Die Physik von Wasserhosen unterscheidet sich jedoch nicht von Tornados über Land, weshalb Tornado über Wasser der exaktere Begriff ist, nämlich unabhängig der Bodenbeschaffenheit.

Sehr wohl gibt es Unterschiede in den Mechanismen, allerdings nicht vom Boden abhängig, sondern die Art, wie vertikale Vorticity erzeugt wird:

Typ-I-Tornados entstehen bei starker vertikaler Windscherung und rotierenden Gewittern (Mesozyklonen), daher mesozyklonale Tornados genannt. Im Fall langlebiger Rotation (nicht zwingend notwendig): Superzellentornados. Die Mehrzahl existiert über Land, sie sind über Wasser aber nicht ausgeschlossen.

Typ-II-Tornados entstehen bei schwacher vertikaler Windscherung meist im Anfangsstadium von Schauern oder Gewittern an einer bodennahen Konvergenzlinie. Sie werden daher nichtmesozyklonale Tornados (früher: nichtsuperzellige Tornados) genannt. Im Englischen haben sich hierfür die Bezeichnungen landspout (Typ-II-Tornado über Land) und waterspout (Typ-II-Tornados über dem Wasser) eingebürgert.

Die Bezeichnung Typ-I und Typ-II wurde erstmals in der Diplomarbeit von Johannes Dahl (2006) genannt.

3.1 Typ-I-Tornados

Typ-I-Tornados benötigen vertikale Windscherung als Hauptzutat, d.h. eine Windzunahme mit der Höhe. Die weiters notwendige Richtungsscherung wird entweder durch eine gleichzeitige Winddrehung mit der Höhe erzeugt, oder durch eine abweichende Zugbahn des Gewitters, das dadurch Richtungsscherung „sammelt“. Richtungsänderung und Windzunahme gemeinsam erzeugen Helizität (Schraubenhaftigkeit), also die Fähigkeit eines Aufwinds zu rotieren.

Im Idealfall ist dazu viel Feuchtlabilität gegeben, mit Schwerpunkt in der 0-3 km Schicht.

Nach heutigem Kenntnisstand geht der Prozess innerhalb der Gewitterzelle folgendermaßen:

Right mover, left mover und storm splits

Bei Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe (z.B. von Südost über Südwest auf West) bilden sich  in Bodennähe jeweils ein Störungstief und ein Störungshoch. Die dadurch entstehenden Störungsdruckgradientkräfte favorisieren neues Zellwachstum auf der rechten Seite und unterdrücken neues Zellwachstum auf der linken Seite. Ein Rechtsläufer („right mover“) entsteht, der Linksläufer wird unterdrückt. Analog bei Linksdrehung des Windes mit der Höhe (wesentlich seltener). Dreht der Wind gar nicht, entstehen Gewitterteilungen („storm splits„) mit gleichermaßen favorisierten Rechts- und Linksläufern.

Entwicklung der Mesozyklone 

Vertikale Windscherung erzeugt horizontale Vorticity (Rotation um eine horizontale Achse, z.B. eine Walze). Durch den Aufwind wird die horizontale Vorticity in die Vertikale gekippt („tilting„). Das Maximum der Störungsvorticity befindet sich im Maximum der Vertikalgeschwindigkeit. Das nach Süden ausscherende Gewitter (Rechtsläufer) hat positive Vorticity bei einer Zunahme der u-Komponente der Umgebung mit der Höhe. Dadurch entsteht ein rotierender Aufwindschlauch, der in mittleren Niveaus (stärkste Vertikalbewegung) am stärksten ist und „Mesozyklone“ genannt wird.

Entwicklung des Tornados

Hohe Helizität in Bodennähe bringt horizontale Vorticity in die Mesozyklone, die durch den Aufwind in die Vertikale gekippt wird. Die hohe Konvergenz am Fuß des Aufwinds konzentriert die vertikale Vorticity weiter (-> positive Feedbackschleife).

Merke: Die Umgebungsscherung produziert die Mesozyklone, die Zirkulation der Mesozyklone (durch Abwinde ausgelöste Böenfront) erzeugt nochmals horizontale Vorticity unterhalb der Mesozyklone und schließlich den Tornado.

Verantwortlich für die Abwinde zeichnet der rear flank downdraft (RFD), der an der Rückseite des Gewitters gelegene Abwind. Je stärker die Verdunstung, desto heftiger der Abwind, dessen ausströmende Kaltluft die Warmluft- und damit Energiezufuhr zum Tornado abschneidet (vgl. Okklusionsprozess bei synoptisch-skaligen Tiefdruckgebieten). Daher ist ein warmer RFD für die Langlebigkeit von Tornados günstig (Markowski 2010, S. 286)

3.2 Typ-II-Tornados

Im Gegensatz zu Typ-I-Tornados benötigt diese Art weder zwingend kräftige Gewitter noch starke Windscherung. Es genügt eine konvektive Wolke, dessen Aufwind stark genug ist, um vertikale Vorticity zu strecken – und eine bodennahe Konvergenzzone, wo Winde unterschiedlicher Richtung zusammenlaufen, die vertikale Vorticity entwickelt.

Typ-II-Tornados werden bei unterschiedlichen Wetterlagen beobachtet:

3.2.1 Kaltluftschauer (in der kalten Jahreszeit)

Im Englischen ist die Bezeichnung cold air funnel gebräuchlich, wobei in diesem Fall Tornados gemeint sind, die im windschwachen Bereich eines Höhentrogs auftreten, wo gleichzeitig die Instabilität am größten ist. Die Mehrzahl tritt über Wasser auf (Nord- und Ostsee, Bodensee, Starnberger See), wobei auch über Land gelegentlich welche beobachtet werden.

3.2.2 Barosumpf (in der warmen Jahreszeit)

Das Pendant zu den Kaltluftschauern sind gradientschwache Lagen im Frühsommer mit verhältnismäßig hohem Geopotential und wenig Höhenkaltluft. Bei gleichzeitig geringen Druckgegensätzen bilden sich scheinbar stochastisch verteilt (in Wirklichkeit an lokale Effekte oder schwache Vorticitymaxima gebunden) Konvergenzzonen und Tornados.

3.2.3 Böenlinien

Eine Hybridform aus Typ-I und Typ-II stellen wahrscheinlich Tornados an Böenlinien dar. Bei starker vertikaler Windscherung ist große horizontale Vorticity vorhanden, die durch den Auf/Abwind in die Vertikale gekippt wird. Allerdings fehlen – im Gegensatz zu einer LEWP-Struktur (Line Echo Wave Pattern) – eingebettete Mesozyklonen, also das Vorhandensein eines langlebig rotierenden Aufwinds. In Zusammenhang mit Böenlinien fällt dann häufig der Begriff Mesovortices oder Misozyklonen (z.B. Atkins 2005).

3.2.4 Typ-II Tornados im Umfeld von Superzellen

In den USA werden auch Typ-II-Tornados an der flanking line von Superzellen beobachtet, wo erhöhte Konvergenz auftritt. Für Europa ist mir keine Beobachtung bekannt.

4. Vorkommen

Prinzipiell sind Tornados überall möglich, wo die Bedingungen für hochreichende Feuchtkonvektion erfüllt sind, sowie entweder bodennahe Konvergenz und/oder vertikale Windscherung präsent sind.

4.1 In den USA

Der Schwerpunkt liegt hier einerseits in den Great Plains im Mittleren Westen der USA, andererseits aber nahe des Golfs von Mexicos bzw. des Atlantiks, also dort, wo durchziehende Tropenstürme für erhöhte bodennahe Windscherung sorgen.

4.2 In Europa

Die ESWD-Datenbank zeigt eine „europäische“ Tornado-Alley, die sich von Nordfrankreich, Südengland, Benelux, Norddeutschland, Südschweden, Nordpolen bis nach Südfinnland zieht. Hier überlappen sich am häufigsten synoptisch-skalig bedingte hohe Windscherung und zumindest mäßiger CAPE. Lokale Hotspots gibt es in der Poebene, in Süd- und Ostösterreich sowie entlang der kroatischen Küste (Wasserhosen).

4.3 Im Rest der Welt

Verheerende Tornados ereignen sich regelmäßig in Bangladesh, wo CAPE weltweit gesehen Spitzenwerte erreicht. Dort gab es am 26.4. 1989 den mit 1300 Opfern tödlichsten Tornado weltweit.  Auch Indien, die Philippinen und Japan sind immer wieder von teils starken Tornados betroffen, siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Asian_tornadoes_and_tornado_outbreaks .

5. Auswirkungen

Je nach F-Intensität sorgen Tornados für räumlich extrem begrenzte Windschäden, wobei die Gefahr für Personen vor allem durch umherfliegende Trümmerteile besteht, weniger durch die unmittelbaren Zerstörungen.

Intensitäts-Einstufung und Bestimmung der Ursache:

6. Klimawandel

Die Frage, ob Tornados durch den Klimawandel zunehmen, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Statistik ist hochgradig durch die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte verfälscht: Kameras, Handykameras, Internet und nicht zuletzt durch gestiegenes Forschungsinteresse. Weiters werden Tornados aus demographischen Gründen häufiger in dicht besiedelten Regionen beobachtet oder nachgewiesen als in dünn besiedelten. Mit dem Bevölkerungswachstum muss die Tornadozahl schon alleinig aus diesen Gründen zunehmen.

Die meteorologischen Voraussetzungen werden sich gemäß Klimamodelle mitunter gegenläufig entwickeln: Durch die Zunahme der Temperatur und des Wasserdampfgehalts in der Luft nehmen absolute Feuchte und Energie zu. Mit der Verlagerung des Jetstreams und der Frontalzone nach Süden nimmt die vertikale Windscherung jedoch im Klimadurchschnitt ab, womit das Schwergewitterpotential abnimmt.

Letzendlich interessiert die Bevölkerung, ob schadensträchtige Tornados zunehmen, d.h. Tornados, die sich von der Intensität her von geradlinigen Winden abheben (> 150 km/h). Diese benötigen nicht nur viel Höhenwind, sondern auch bodennah markanten Wind (Beispiel 18.6.2012 in Polen: F3-Tornados während Sturmtiefpassage). Abnehmende Höhenwinde lassen auch Bodentiefs schwächer ausfallen, was wiederum Auswirkung auf die bodennahe Windscherung hat.

Fazit: Nach heutigem Kenntnisstand und der Zunahme an gradientschwachen Wetterlagen im Sommerhalbjahr wird die Anzahl der Tornados mit dem Klimawandel eher abnehmen. Die Intensität könnte zumindest regional zunehmen, weil energiereichere Luftmassen zunehmen (z.b. Mittelmeergebiet).

7. Literatur